In den 80er Jahren des vorigen Jahrtausends gab es einen Kult-Werbespot. Der zur damaligen Zeit sehr bekannte Moderator Josef „Joki“ Kirschner warb für Raiffeisen mit dem zum Stehsatz gewordenen Spruch: „Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man’s hat, wenn man’s braucht.“ Einige werden sich vielleicht noch daran erinnern. Die typischen Gründer heutiger Start-Ups altersbedingt vermutlich eher nicht.
Schlecht wäre es aber nicht, sich an diesen Spruch zu erinnern, wenn es um das Thema Wachstumskapital und die dafür notwendige Vorlaufzeit geht. Ich weiß nicht, wie oft ich schon bei Erstgesprächen zu diesem Thema in die sprichwörtlichen schreckgeweiteten Augen von Gründern geblickt habe, wenn ich deren Frage „Wie lange dauert es denn realistischerweise, bis wir die nächste Finanzierungsrunde werden abschließen können?“ mit ehrlichen und realistischen „rechnen wir mal optimistisch mit 6 bis 9 Monaten“ beantwortet habe. Die ersten Reaktionen reichen dann von Unglauben „das glaube ich dir nicht“, Realitätsverweigerung „das muss einfach schneller gehen“ bis hin zu Verzweiflung „aber Ende des Monats sind die nächsten Zahlungen fällig, wie sollen wir das machen?“. Manchmal endet an dieser Stelle auch abrupt die gerade im Werden befindliche Geschäftsbeziehung zwischen Gründerteam und uns als Berater, denn mit so lahmen Beratern wollen sich dynamische Gründer ungern aufhalten. Tja schade, kann man nichts machen.
Meine Erfahrung ist, dass der Faktor „Zeit“ im Zusammenhang mit der Beschaffung von Wachstumskapital insbesondere in der Frühphase einer Unternehmensgründung und somit in der Regel beim erstmaligen professionellen Kontakt mit der Investorenszene völlig falsch und unrealistisch eingeschätzt wird.
Dabei war es doch bei der allerersten Finanzierung der Gründungsidee so einfach. Die 3 F´s (family, fools, friends) waren rasch überzeugt, eine paar eigene Ersparnisse gab es auch und los ging´s. Markt, Wachstumsperspektive, Geschäftsmodell, Business Case, Mittelverwendung, Planrechnungen, Angebot an den Investor und so weiter und so fort, waren nicht wichtig. Es zählte die Idee, die Überzeugungskraft und vor allem die familiäre oder freundschaftliche Nähe zum „Investor“.
Blöderweise wollen professionelle Investoren, seien es nun Privatpersonen, Fondsmanager, Family Office Verantwortliche, Stiftungsvorstände, etc., deren Selbstbildnis so gar nicht jenem der 3 F´s entspricht, genau diese Dinge sehen. Dies bedarf schon mal einer entsprechenden Vorbereitungszeit, diese Unterlagen entsprechend professionell zu erstellen und aufzubereiten.
Danach wird es aber wirklich zeitaufwändig: Selektion der potentiellen Investoren, Kontaktaufnahme, Übersendung Investment-Teaser, nachfassen, warten, nochmals nachfassen, wieder warten, nochmals nachfassen, zu einem Erstgespräch geladen werden, Präsentation, warten, nachfassen, detailliertes Information Memorandum, Rückfragen beantworten, Business Case adaptieren, nochmals Gespräche, warten, nochmals Gespräche, Angebot diskutieren, warten, nachfassen – UND – ABSAGE. Oder, wenn alles gut läuft – in eine detaillierte Verhandlungsphase eintreten. Und dies alles nicht mit einem einzigen potentiellen Investor sondern mit mehreren und dies nicht räumlich „ums Eck“, sondern vielleicht österreich-, europa- oder weltweit.
Alle Profis, die das ständig machen, wissen um die Zeit und die Mühsal, die mit diesem gesamten Prozess verbunden ist. Gründer, die diesen Prozess das erste Mal durchlaufen unterschätzen (in der Regel) die dafür erforderliche Zeit völlig. Professionelle externe Berater, die diesen Prozess begleiten, können aufgrund ihrer Kontakte, der Prozesserfahrung, der Akzeptanz als Gesprächspartner von Investoren, den Ablauf an wichtigen Punkten beschleunigen, Sackgassen vermeiden helfen, vermeiden, dass man den falschen Investoren hinterherläuft. Und manchmal dienen sie auch als Punchingball, denn irgendwo muss der Frust ja raus. Was auch Ok ist.
Deshalb im Geiste von Joki Kirschner: Wer externes Wachstumskapital benötigt sollte wirklich rechtszeitig mit der Suche danach beginnen und nicht erst dann, wenn das Geld der Seedfinanzierung zu Ende ist.
Welche Erfahrung haben Sie gemacht? Wie sehen Sie dieses Thema? Freue mich auf jede Art von Erfahrungsaustausch und Ihr Feedback. Thomas.kolm@ttp-mbd.at